2007


Die Jahreshauptversammlung fand am 30. Januar im Museum VIADRINA statt. Anwe­send waren 18 Mitglieder und elf Gäste.

Im öffentlichen Teil sprach Vereinsmitglied, Herr Dr. Martin Schieck, über „Der Eiserne Wehrmann in Frankfurt (Oder)“. Der Wehrmann wurde am 27. Januar 1916 vor dem Rathaus aufgestellt und diente als Kriegsfolgen-Hilfe. Dazu konnte man Nägel aus verschiedenen Materialien und zu unterschiedlichen Preisen erwerben und die Holzplastik damit benageln, so dass die Figur ein metallisches Aussehen bekam. Solche Spendenaktionen gab es in vielen deutschen und auch anderen europäischen Städten. Der Verbleib der Figur ist unklar. Es liegt nahe, dass sie beim Brand des Rathauses 1945 Opfer der Flammen wurde.

Anschließend las Vereinsmitglied, Herr Roman Carsten Höft, aus den Erinnerungen von Herrn Prof. Dr. Heinz Vater (Köln) „Kindheit in der Nazizeit“, in denen er seine Erlebnisse in seiner jüdischen Familie in Frankfurt (Oder) schilderte.


Am 27. Februar fand die nächste Sitzung als gemeinsame Veranstaltung mit dem verein der Freunde und Förderer des Museums Viadrina im hiesigen Museum statt. Anwesend waren 13 Mitglieder und 18 Gäste. Herr Dipl.-Archäologe Rainer Schulz sprach anlässlich des 150. Geburtstages über Michael Martin Lienau. Von der Familie Lienau ist ein Wahlspruch noch aus Großvater Michaels Zeiten überliefert:

„Lienau heet ick. Wat recht und god is, Dat weet ick. Gott gew’t dato, dat ick’t ok do!“


Dipl.-Archäologe Rainer Schulz.

Herr Schulz gab mit zahlreichen Bildern einen Abriss des Lebens von Michael Martin Lienau, der im Alter seinen Kaufmannsberuf aufgab und ein Archäologiestudium erfolgreich absolvierte. Seit 1922 war er als staatlicher Bezirkspfleger für die Bodenaltertümer im Stadtkreis Frankfurt (Oder) verantwortlich. Von ihm liegen zahlreiche Aufsätze von Ausgrabungen und zur Vor- und Frühgeschichte der Oderstadt vor.


Für die Sitzung am 27. März konnte der Vereinsvorsitzende Herrn Hans Heilborn (Berlin) gewinnen. Gekommen waren 14 Mitglieder und 21 Gäste. Hans Heilborn (geb. 1924) ist der Sohn des bedeutenden Frankfurter Schuhfabrikanten in der Stadt, Sigmund Heilborn. Herr Heilborn sprach über „Die Familie Heilborn – das Schicksal einer Frankfurter jüdischen Familie“. Er berichtete über die Firmengeschichte, Familiengeschichte und sein eigenes Leben.


Gastreferent Hans Heilborn.

Hans Heilborn war als Überlebender des Holocaust aus dem KZ Theresienstadt nach Kriegsende in seine Heimatstadt zurückgekehrt und begann hier bei der Polizei, später bei der Kripo zu arbeiten. Einige Bilder dokumentierten seinen Lebensweg. Abschließend kritisierte der Referent die inhaltliche Wichtung und Ausgestaltung der Gedenkstätte „Opfer politischer Gewaltherrschaft“ in der Collegienstraße.


 Am 24. April erinnerte zunächst Vereinsmitglied, Herr OMR Dr. Klaus Eichler, vor 12 Mitgliedern und 16 Gästen an den 140. Geburtstag von Prof. Dr. Albert Albu, einem in Frankfurt geborenen jüdischen Arzt (veröffentlicht in H. 2/2007). In diesem Zusammenhang sprach er auch über die ersten jüdischen Studenten am Ende des 17. Jh. an der Frankfurter Viadrina.
 

Referent Dr. Klaus Eichler.

Referent Ing. Joachim Schneider.

Das Hauptreferat hielt Vereinsmitglied, Herr Ing. Joachim Schneider. Er sprach zum Thema „Eine Stadt verliert ihr Antlitz. Zur Zerstörung Frankfurts 1945“. Durch intensive Recherchen, tlw. eigenen Beobachtungen konnte Herr Schneider in einer Hochrechnung feststellen, dass 1945 über Frankfurt (Oder) ca. 1000 Bomben abgeworfen wurden. Er wies bei den vorhandenen Nachkriegsfotos erneut darauf hin, dass es sich dabei nicht um den Originalzustand der Ruinen handelt, sondern um Fotografien aus späteren Jahren. Es ging dem Referenten nicht um ein Aufrechnen und um Schuldzuweisungen für die Zerstörungen, sondern vielmehr um den Umgang mit der Wahrheit.


 Die nächste Sitzung fand am 29. Mai im Stadtarchiv (wie auch alle weiteren Sitzungen) statt. Vereinsmitglied, Herr OA Ralf-Rüdiger Targiel, zeigte zunächst einen Film des AFC (= Amateurfilmclub Frankfurt (Oder)) „Gustav, die Umweltschlampe“. Im Hauptreferat sprach er über den „Hebräischen Buchdruck in Frankfurt (Oder) von der Mitte des 16. Jh. bis Anfang des 19. Jh.“. Elf Mitglieder und 7 Gäste verfolgten den Vortrag. Der Referent unterschied zwei Etappen des Buchdrucks, in deren erster zwischen 1551 und 1593 Drucke in Frankfurt entstanden, in denen bereits tlw. hebräische Teile eingefügt waren. Die zweite, viel bedeutendere Etappe begann mit Johann Christoph Beckmann, der jedoch schon 1696 sein Geschäft an Michael Gottschalck übergab. Gottschalck (um 1655 -1734), der erstmalig nach neu ausgewerteten Quellen aus dem Geheimen Staatsarchiv PK Berlin und des Stadtarchivs Frankfurt (Oder) in seinem umfänglichen Wirken dargestellt wurde, brachte die erste Frankfurter Ausgabe des babylonischen Talmuds heraus.


 Am 25. September sprach zunächst Herr OMR Dr. Klaus Eichler vor zehn Mitgliedern und 16 Gästen zum 60. Todestag von Hermine, zweite Ehefrau von Wilhelm II. Hermine hielt sich nach Kriegsende bis 1947 in Frankfurt (Oder) auf, verstarb hier und wurde im Antikentempel im Park zu Sanssouci in Potsdam beigesetzt. In einem anschließend gezeigten Video wurden die Ereignissorte in Saabor (Kreis Grünberg, heute Zabór) und Schloss Doorn im Rahmen einer Exkursion mit der ehemaligen Sekretärin der Kaiserwitwe vorgestellt.

Das Hauptreferat hielt Herr Landschaftsarchitekt BDLA Jürgen Kleeberg (Berlin). Er sprach im Zusammenhang mit dem Gartendenkmal Lennépark und dessen etappenweisen Wiederherstellung über die Befestigungsanlagen an der Westseite der Stadt unter dem Thema „Die mittelalterliche Stadtbefestigung in Frankfurt (Oder) – Archäologie und Gartendenkmalpflege“.


Gastreferent Landschaftsarchitekt Jürgen Kleeberg.

Bei der Rekonstruktion der Feldsteinmauer am Wassergraben nahe der alten leerstehenden Schule kamen Reste der Befestigungsanlage, darunter Fundamentreste eines Rondells zutage. Voran stellte der Referent historische Pläne von der etappenweisen Anlage des Lennéparks (Wege- und Wasserbau, Bepflanzungsplan, Vegetationspläne).


Am 30. Oktober referierte Herr Ing. Joachim Schneider vor ca. 20 Teilnehmern zu einem außergewöhnlichem Thema, „Von Bach bis Wagner. Das Schaffen Frankfurter Militärorchester um 1900“. Neben den Bildern stellte er ausgewählte Tonbeispiele vor. Die Militärorchester waren ein fester Bestandteil des Musiklebens in der Stadt. Auf dem Repertoire standen Konzerte mit klassischer Musik und die musikalische Begleitung von Aufführungen im Frankfurter Stadttheater. Bekannte Aufführungsorte waren damals das Carthausbad, der Viktoriagarten, das Schützenhaus und der Kaisersaal.

Vereinsmitglied, Herr Eckard Reiß, informierte anschließend über seine neuesten Recherchen zur Umbenennung der Straßen in der ehemaligen Dammvorstadt durch polnische Behörden in Słubice im Oktober 1945 (veröffentlicht in H. 2/2007).


Die Sitzung am 21. November begann mit einer Gedenkminute für unser verstorbenes Mitglied, Herrn Manfred Krause (+ 4. November). Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern unseres Vereins und trug durch seine Beiträge über Ewald v. Kleist, Tzschetzschnow – Güldendorf  und seinen Gedichten zur Bereicherung des Vereinslebens bei. Danach sprach Vereinsmitglied, Herr Dr. Horst Engelke, in Weiterführung seiner Schulgeschichtsforschung über „Die Städtische Oberschule 1539 bis 1694“. In Gegenüberstellung der Lehrkonzepte vor und nach der Reformation arbeitete er heraus, dass es sich überwiegend um eine „Paukschule“ handelte, die nach der Methode „Vorsagen – Nachsagen – Üben – Einprägen“ funktionierte. Auch wenn sich die Religion und die Unterrichtsinhalte änderten, änderten sich nicht die Lehrmethoden. Die Schulaufsicht hatte nun nicht mehr der Bischof, sondern eine oberste Schulverwaltung.

Aus gegebenen Anlass sprach anschließend Herr OA Ralf-Rüdiger Targiel zur Frage „Wann kam Hermine, die Witwe des letzten deutschen Kaisers, nach Frankfurt ?“ Der Referent beabsichtigte nicht, diese Frage abschließend zu beantworten, sondern sprach vielmehr über den Quellenwert bisher nicht oder nur wenig genutzter Dokumente des Stadtarchivs zu diesem Thema. Danach ist es wahrscheinlich, dass Hermine von Preußen schon am 3. November 1945 in Frankfurt (Oder) eintraf.


Am 11. Dezember fand die letzte Sitzung im Geschäftsjahr statt, an der zehn Mitglieder und 12 Gäste teilnahmen. Die Vereinsmitglieder, Herr Restaurator Bernhard Klemm und Herr Reinhard Buchholz, sprachen „Zur Bau- und Nutzungsgeschichte der ehemaligen Mädchenberufsschule in der Potsdamer Straße“. Die Ausführungen und gezeigten Bilder beleuchteten die sehr wechselvolle Nutzungsgeschichte und die baulichen Veränderungen. U.a. war das Gebäude 1944/45 als Reservelazarett Nr. 106 genutzt worden und Ende der 50-er Jahre war es die erste Betriebs- und Ausbildungsstätte des Frankfurter Halbleiterwerkes. Heute befindet sich dort das bbw (Berlin-Brandenburger Bildungswerk). Herr OA Targiel  zeigte ein kürzlich vom Stadtarchiv erworbenes Fotoalbum, vermutlich von einer Frankfurter Zahnarztfamilie, das z.T. sehr interessante stadtgeschichtliche Aufnahmen enthält.